30. Aug. 2021Ist die Luft rein?

Sport im Freien nur bei niedriger Feinstaubbelastung

Training in schmutziger Luft hat für die Gesundheit mehr Nach- als Vorteile. Denn die Schadstoffe setzen Herz und Kreislauf zu.

Frau mit Sportschuhen
iStock/Ridofranz

Körperliche Aktivität ist nur bei sauberer Luft gesundheitsförderlich. Bei hohen Feinstaubbelastungen hingegen fördert sie koronare Komplikationen und Schlaganfälle, wie eine Gruppe um Seong Rae Kim von der Universität Seoul berichtet.1

Die Wissenschaftler werteten die Daten von mehr als 1,4 Millionen kardiovaskulär gesunden Erwachsenen im Alter zwischen 20 und 39 Jahren aus, die zwischen 2009 und 2012 an zwei Erhebungen zur Gesundheit teilgenommen hatten. Die körperliche Aktivität der Befragten bildeten sie in MET-Minuten pro Woche ab, wobei MET für metabolisches Äquivalent steht. Zusätzlich ermittelten sie den Grad der Luftverschmutzung am Wohnort der Probanden, wofür sie auf die Daten des südkoreanischen Luftqualität-Monitoringsystems zurückgriffen.

Oxidativer Stress in Blutgefässen und Gehirn

In Gegenden mit geringer bis mässiger Luftverschmutzung zeigte sich: Im Vergleich zu denjenigen, die dauerhaft sehr intensiv Sport trieben (≥ 1000 MET-Minuten pro Woche), nahm bei Personen, die ihr Sportpensum reduzierten oder gar keinen Sport mehr trieben, das kardiovaskuläre Risiko zu. In Gegenden mit hohen Feinstaubbelastungen schützte intensiver Sport nicht vor Herzerkrankungen und Schlaganfällen – im Gegenteil: Wer dort regelmässig intensiv an der vermeintlich frischen Luft trainierte, erkrankte überproportional häufig an Herz und Kreislauf.

Verdreckte Luft stellt einen der bedeutsamsten Risikofaktoren für Gesundheitsschäden dar, konstatiert Professor Dr. Thomas Münzel vom Universitätsklinikum Mainz.2 Er verweist auf Schätzungen, denen zufolge die Luftverschmutzung weltweit neun Millionen vorzeitige Todesfälle pro Jahr verursacht. Laufsport in Gegenden mit sauberer Luft wirkt kardioprotektiv, bei hohen Feinstaubwerten bewirkt er offenbar das Gegenteil, fasst er die Ergebnisse der südkoreanischen Studie zusammen und erläutert die Mechanismen hinter den Gesundheitsschäden: Die winzigen Partikel und reaktiven Gase aktivieren Immunzellen, erhöhen den oxidativen Stress im Gefässsystem und im Gehirn und begünstigen eine endothele Dysfunktion. Ähnlich wie Diabetes und Bluthochdruck fördert der Feinstaub Atherosklerose und kardiometabolische Erkrankungen. Zudem scheint er das sympathische Nervensystem zu aktivieren und die Freisetzung von Stresshormonen zu triggern.

Insbesondere Menschen in Grossstädten sollten bei sportlicher Aktivität im Freien die Luftqualität nicht ausser Acht lassen, empfiehlt der Kardiologe. Dank der Technik sei es mittlerweile möglich, die Schadstoffexposition anhand von Sensor-, Satelliten- und GPS-Daten darzustellen und individuell abzuschätzen, ob Sport ohne negative Gesundheitsfolgen möglich ist.

Referenzen:
  1. Kim SR et al. Eur Heart J 2021; doi: 10.1093/eurheartj/ehab139.
  2. Münzel T et al. A.a.O.; doi: 10.1093/eurheartj/ehab227.