Was man über medikamentös-toxische Leberschäden wissen sollte
Medikamentenbedingte Leberschäden können sich klinisch sehr unterschiedlich äußern und stellen daher eine Herausforderung bei der Diagnose dar. Eine Gastroenterologin beschreibt die Besonderheiten der medikamentös-toxischen Hepatopathie.
Eine Leberschädigung aufgrund von Medikamenten (drug induced liver injury, DILI) ist in der Regel nach Absetzen des auslösenden Medikaments vollständig reversibel.
Arzneimittel sind dabei für mehr als 50 Prozent der Fälle von akutem Leberversagen in westlichen Ländern verantwortlich. Die Hepatotoxizität war der Grund für 32 Prozent der Medikamentenrücknahmen vom Markt zwischen 1975 und 2007. Populationsbezogene Studien zeigen ausserdem, dass die Inzidenz von medikamentenbedingten Leberschäden bei 14 bis 19 Fällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr liegt. Antibiotika gelten dabei als häufigste Auslöser.
Dosis und chemische Struktur spielen eine Rolle
Es lassen sich zwei Formen der DILI unterscheiden, erklärt Professor Dr. Elke Roeb vom Universitätsklinikum UKGM in Giessen:
- intrinsische DILI: Die vorhersehbare, direkt hepatotoxische Schädigung tritt bei fast allen Exponierten maximal eine Woche nach Einnahme des Medikaments dosisabhängig auf.
- idiosynkratische DILI: Die nicht vorhersehbare Schädigung infolge von immunologischen oder nichtimmunologischen Veränderungen zeigt sich Tage bis Monate nach Einnahme des Medikaments. Diese Form betrifft vor allem bestimmte Gruppen wie Frauen, ältere Menschen, bestimmte Ethnien oder Personen mit anderen Risikofaktoren.
Paracetamol gilt als klassischer Verursacher einer intrinsischen DILI. Dabei kommt es oft bereits bei Dosierungen zur Hepatotoxizität, die nur etwas über der maximal empfohlenen Tagesdosis von 4 g liegen, oder nach mehrfacher Einnahme von deutlich niedrigeren Dosen. Denn nicht immer funktioniert die Entgiftung in der Leber optimal. Grund hierfür können
- Begleiterkrankungen,
- bestimmte Genmutationen,
- gleichzeitige Einnahme anderer Arzneimittel,
- Fasten oder
- Alkoholkonsum
sein.
Weitere Risikofaktoren sind Mitochondriopathien, Immunmodulation durch externe Einflüsse oder Stoffwechselveränderungen.
Und natürlich spielen Dosis und chemische Struktur des jeweiligen Wirkstoffs eine Rolle: So führen neben Paracetamol z.B. Vitamin A, Cyclosporin A, Methotrexat oder Valproat zur intrinsischen Form, während mit der idiosynkratischen Form z.B. Amoxicillin/Clavulansäure, Diclofenac, Sulfonamide und Lisinopril assoziiert sind.
Nahrungsergänzungsmittel können auch Auslöser sein
Diagnostisch sind zunächst andere Lebererkrankungen auszuschliessen. Als mögliche Auslöser einer DILI sind neben verordneten auch nicht verschreibungspflichtige Präparate, Nahrungsergänzungsmittel oder psychoaktive Substanzen in der sorgfältigen Anamnese zu berücksichtigen.
Die Bestimmung von ALAT, AP sowie Bilirubin erlaubt es, Art und Schweregrad der Leberschädigung zu bewerten. Im Weiteren sollten Virushepatitiden ausgeschlossen und ein Screening auf Autoantikörper durchgeführt werden.
Auch die Bestimmung wichtiger Gerinnungsparameter ist Teil der DILI-Beurteilung. Selten kann der Nachweis bestimmter neuer Serum-Biomarker (z.B. Glutamatdehydrogenase, Keratin 18, Glutathion-S-Transferase) sinnvoll sein. Eine Leber-Sonografie und möglicherweise eine Biopsie geben Hinweise auf Gewebs- oder Gefässveränderungen. Diagnostisch hilfreich ist der RUCAM-Score (Roussel Uclaf Causality Assessment Method).
Kortikosteroide sind nur im Einzelfall hilfreich
Als therapeutisch wichtigster Schritt gilt das Absetzen des verdächtigen Medikaments; meist erholt sich die Leber dann spontan. Die Gabe von N-Acetylcystein ist nur bei einer Paracetamol-induzierten Hepatotoxizität und bei Leberversagen indiziert. Kortikosteroide sind nur im Einzelfall hilfreich − beispielsweise bei vermuteter Autoimmunkrankheit oder mit Checkpoint-Inhibitoren assoziierter DILI. Ansonsten erwies sich bisher keine Pharmakotherapie bei medikamentenbedingter toxischer Leberschädigung in kontrollierten klinischen Studien als effektiv.
Nicht immer ist es für den Patienten die beste Option, das auslösende Medikament abzusetzen. Beispielsweise weisen nur leicht erhöhte Transaminasen unter einer Statin-Therapie nicht auf eine echte DILI hin. Auch im Rahmen einer CED-Therapie kommt es häufig zu anormalen Leberwerten, so die Autorin. Eine regelrechte DILI kann allerdings nur selten nachgewiesen werden.
Grundsätzlich sollten Ärzte sich bei der Verordnung von Medikamenten oder anderen Therapeutika der potenziellen Hepatotoxizität bewusst sein.
Hilfreich ist das online verfügbare Tool «LiverTox»
- Roeb E. Medikamentös-toxische Hepatopathie – eine unterschätzte Gefahr [Drug toxic hepatopathy - an underestimated danger]. Dtsch Med Wochenschr. 2023 Jul;148(13):828-835. German. doi: 10.1055/a-1871-6426