5. Dez. 2025Phytomedizin-Steckbrief

Mariendistel: Klassiker der Hepatologie mit moderner Evidenz

Die Mariendistel (Silybum marianum) gehört seit dem Mittelalter zu den wichtigsten pflanzlichen Lebertherapeutika Europas. Heute sind es vor allem standardisierte Extrakte aus den Früchten (Silybi mariani fructus), die in Studien ihren Platz als hepatoprotektive Substanz behaupten – und darüber hinaus antitumorale Effekte zeigen.

Mariendistel in voller Blüte – ein robustes Heilkraut, das im Garten eindrucksvoll gedeiht.
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Panaschiert! Eines der Lieblingswörter aus dem Wortschatz meiner Oma beschreibt die Blätter der Mariendistel mit ihrer charakteristischen Zeichnung. Panacher (französisch) bedeutet «mit buntem Muster versehen». In der Botanik wird der Begriff meist für zweifarbige Blattmuster verwendet. Die weisse Farbe entlang der Blattnervatur erklärt den deutschen Namen von Silybum marianum (L.).

Laut christlicher Mythologie vergoss Maria beim Stillen des kleinen Jesus Tropfen der Muttermilch auf diese Pflanze. In Europa ist die Mariendistel seit dem Mittelalter als Heilmittel bei Lebererkrankungen und Beschwerden der ableitenden Gallenwege bekannt und dokumentiert. Medizinisch kommen heute hauptsächlich die hochwirksamen Extrakte von Cardui mariae fructus zum Einsatz.

Wirkstoffe: Silymarin im Fokus

Aktives Wirkprinzip der Samen ist das in der Fruchtwand lokalisierte Silymarin. Ein Flavonolignankomplex, der bis zu drei Prozent in der Droge vorliegt. Das Arzneibuch fordert zur Qualitätskontrolle einen Mindestgehalt von 1,5 Prozent. Hauptkomponenten des Silymarins bilden die Diastereoisomerenpaare Silybin A+B und Isosilybin A+B zu 50 Prozent des Gemisches und Silychristin A und Silydianin zu je 25 Prozent.

Die gesamte Flavonoidfraktion weist geringe Mengen Taxifolin und Flavonolderivate (Quercetin) auf. Die Samen enthalten bis zu 30 Prozent Eiweiß und ebenso viel hochwertiges fettes Öl mit hohem Anteil an Linolsäure. Das Öl wird als Speiseöl verwendet, aus dem Pressrückstand können die pharmazeutisch relevanten Extrakte hergestellt werden. Silymarin ist kaum wasserlöslich, deshalb erfolgt der Auszug großtechnisch mit Aceton oder Ethylacetat.

Hepatoprotektion wissenschaftlich belegt

Intensive Forschung und klinische Studien konnten die hepatoprotektiven Effekte des Silymarin-Komplexes wissenschaftlich belegen. Durch Gabe von Silymarin wird die leberschädigende Wirkung diverser hepatotoxischer Stoffe (z.B. Toxine des Knollenblätterpilzes) verringert oder aufgehoben. Erfolgreicher Mechanismus des Silymarins ist die direkte Blockade von Transportsystemen in der Leberzellmembran. Hohe Wirkungsgrade werden vor allem bei der prophylaktischen Einnahme erzielt. Der Wirkkomplex ist hoch antioxidativ wirksam und ein potenter Radikalfänger (1,2).

Wachstumshemmende Effekte auf gewisse Tumorgeschehen (z.B. Hautkrebs) konnten durch Studien bestätigt werden (3). In vitro wurde für Silybin die Stimulierung der nukleolären Polymerase I nachgewiesen, was zu einer Erhöhung der Ribosomenzahl in der Leberzelle und erhöhter Proteinbiosynthese (Enzyme, Strukturproteine) führt (4).

Sicherheit und Dosierung

Zubereitungen aus Mariendistelsamen gelten als sicher. Ausser einem leicht laxierenden Effekt liegen keine Neben- oder Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln vor. Hochwertige Fertigpräparate mit Wirkstoffangaben sind zum Wohle und Nutzen unserer Patienten vorzuziehen. Es gibt eine gute Auswahl am Markt. Die hepatoprotektive Wirkung ist mit einer Dosierung von 140 mg Silymarin 2–3 x tgl. empfohlen.

Volksmedizinische Anwendung

Ein traditioneller «Leber-Detox-Tee» kombiniert Mariendistelfrüchte mit Pfefferminze und Artischocke:

  • 4 Teile Silybi mariani fructus cont.
  • 1 Teil Menthae piperitae folium
  • 1 Teil Cynarae folium

Dosierung: 3 Wochen lang 3× täglich 1 TL mit ¼ l kochendem Wasser übergiessen, 10 min ziehen lassen.

Steckbrief Mariendistel

  • Familie: Asteraceae
  • Stammpflanze: Silybum marianum (L.) GAERTN., syn. Carduus marianus
  • Verwendete Pflanzenteile: Früchte (üblich), Kraut (selten, nicht empfohlen)
  • Herkunft: Mittelmeerraum; Anbau u. a. in China, Südamerika, Balkan, Österreich
  • Monographien: Europäisches Arzneibuch 8.0, ESCOP, WHO, Kommission E
  • Anwendungsbereiche:
    – adjuvante Therapie toxischer Leberschäden
    – chronisch-entzündliche Lebererkrankungen
    – dyspeptische Beschwerden (Kommission E)