Wacholder: Ein Hausmittel als Heilmittel!
Ob als königliches Lebenselixier, Volksheilmittel oder Trend-Spirituose: Wacholder und Gin verbinden Tradition mit erstaunlicher Heilkraft – von Magenwohl bis antibakterieller Wirkung.

«God save the Gin!» Dieser Spruch wird sofort mit dem britischen Königshaus assoziiert, zumal die Herrscherinnen ihr rüstiges Alter dieser Essenz zuschreiben. Ursprünglich war der Gin ein Wacholder- und Korianderdestillat und wurde bei Magenverstimmungen eingenommen. Als Genussmittel startete Wacholderschnaps als «Genever» von Holland aus durch. Die Rezepturen der Gin-Erzeuger sind geheim, Hauptkomponente ist jedoch zwingend der Wacholder.
Die getrockneten Früchte, eigentlich fleischige Zapfen, von Juniperus communis L. sind als Heilmittel in der Volksheilkunde tief verwurzelt. Bei dyspeptischen Beschwerden empfiehlt Kneipp, täglich vier Stück getrocknete Wacholderbeeren zu kauen, um den Magen zu beruhigen, den Appetit anzuregen und die Verdauung zu fördern. Tees und alkoholische Auszüge wirken erwärmend und harntreibend. Einreibungen mit Wacholderöl werden in der Volksheilkunde bei Gelenksbeschwerden eingesetzt.
Ätherisches Öl als Hauptwirkstoff des Wacholders
Wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe im Wacholder liefert mit bis zu 2 % das ätherische Öl (ÄÖ). Es besteht vorwiegend aus Monoterpenen mit den Hauptkomponenten
- α- und β-Pinen,
- Sabinen,
- Mycren,
- Limonen und
- Terpinen-4-ol.
Sesquiterpene wie das bekannte β-Caryophyllen und das rezent nachgewiesene Longifolen sind ebenfalls enthalten. Die Zusammensetzung des ätherischen Öls variiert stark in Abhängigkeit des Reifegrades und der Herkunft der Wacholderbeeren. Das Arzneibuch fordert ausschliesslich vollreifes Material. Nicht flüchtige Inhaltsstoffe bilden bis zu 5 % Catechingerbstoffe, Flavonoide, Biflavone und Invertzucker.
Pharmakologische Effekte im Überblick
Untersuchungen zur Wirksamkeit zeigen einen deutlich diuretischen und natriuretischen Effekt der Einzelkomponente Terpinen-4-ol (1).
Antimikrobielle Wirksamkeit des ätherischen Wacholderöls konnte definitiv nachgewiesen werden. Das ätherische Öl weist hohe antibakterielle Wirkung gegen grampositive und gramnegative Bakterien auf und hemmt deutlich das Wachstum von Dermatophyten (2). Für Di- und Sesquiterpene im Wacholderöl wurden antibakterielle Effekte gegen Mycobacterium tuberculosis nachgewiesen (3). Rezente Studien zeigen für aus Juniperus communis isolierte Biflavonoide Hemmung der Tyrosinase, die für die Melaninproduktion in der Haut verantwortlich ist (4).
Aufgrund der volksmedizinischen Verwendung können wir Wacholder unseren Patienten empfehlen und individuelle Zubereitungen herstellen. Tees – solo oder in hauseigenen Mischungen – sind effektiv gegen leichte Verdauungsbeschwerden und fördern den Harnfluss. Die Wacholderbeeren sollten angestossen werden.
CAVE: Schwangerschaft – Wacholder stimuliert die Gebärmuttermuskulatur!
Für die Herstellung von Dermatika sollte eine Obergrenze von 3% des ätherischen Öls wegen der hautreizenden Wirkung eingehalten werden. Alkoholische Auszüge in Massen wie gewohnt empfehlen: 2 cl mit jeder Art süss-säuerlichem Zusatz 1:5 verdünnen!
Steckbrief
Stammpflanze:
Juniperus communis L.
Familie:
Cupressaceae (Zypressengewächse)
Herkunft:
In Europa heimisch, in Österreich unter Schutz, nördliche Zonen Amerikas und Asiens
Arzneidroge:
getrocknete reife Beerenzapfen
Anwendungsbereiche:
Verdauungsbeschwerden und Blähungen, Durchspülungstherapie bei leichten Harnwegsinfekten, äusserlich bei Muskel- und Gelenksschmerzen
Monographien:
Ph. Eur. 8.0 (auch Juniperi aetheroleum), Kommission E, ESCOP, HMPC
1 Schilcher H et al. (1997), Arzneim Forsch. 855–8
2 Pepeljnjak S et al. Antimicrobial activity of juniper berry essential oil (Juniperus communis L., Cupressaceae). Acta Pharm. 2005 Dec;55(4):417-22.
3 Gordien Ay et al. Antimycobacterial terpenoids from Juniperus communis L. (Cuppressaceae). J Ethnopharmacol. 2009 Dec 10;126(3):500-5. doi: 10.1016/j.jep.2009.09.007.
4 Jegal J. (2016) Biosci Biotech Bioch 2311-17