Es muss nicht immer ein Antibiotikum sein!
Akute Harnwegsinfekte sind ein häufiges Problem in Offizin. Ist es immer notwendig, diese Patientinnen mit einem Antibiotikum zu behandeln? Nein, erläuterte Prof. Dr. med. Annette Kuhn, leitende Ärztin Urogynäkologie und Stv. Chefärztin Gynäkologie am Inselspital Bern, im Rahmen eines gut besuchten Referates am pharmaDavos-Kongress.
«Zu den grössten Irrtümern der Geschichte gehört die Annahme aus den 40er Jahren, dass Infektionskrankheiten ab den 50er Jahren keine Rolle mehr spielen würden», eröffnete Kuhn ihr Referat. Dass Infektionskrankheiten auch heute, 70 Jahre später, noch lange nicht besiegt sind, haben uns nicht nur AIDS, Covid-19 und die Affenpocken gelehrt. Auch Harnwegsinfektionen gehören immer noch zu den häufigsten Infektionen der Welt.
Aufgrund der anatomischen Nähe von Darm, Vagina und Urethra fallen Frauen Harnwegsinfektionen deutlich häufiger zum Opfer als Männer. Denn der Übeltäter, meist E. coli, ist im Darm zu finden.
Komplizierte Harnwegsinfekte müssen zum Arzt
Die Inzidenz von Harnwegsinfekten bei Erwachsenen liegt bei 3–5 %, wobei Frauen im Verhältnis 50:1 sehr viel häufiger betroffen sind als Männer. In der geriatrischen Bevölkerung steigt die Inzidenz auf 10–30 %, bei einem fast identischen Verhältnis von Männern und Frauen von 1:1,5. Rezidivierende Harnwegsinfektionen sind definiert als mehr als zwei Episoden in sechs oder mehr als drei Episoden in zwölf Monaten. 1–3 % der unkomplizierten Harnwegsinfektion gehen in eine Pyeolonephritis über, das sollten wir im Hinterkopf behalten.