Erkenntnisse aus der Pädiatrie nach zwei Jahren Pandemie
Ungefähr ein bis drei Prozent der Kinder haben auch drei Monate nach einer akuten SARS-CoV-2-Infektion noch Beschwerden. Was man während der Pandemie in der Pädiatrie über Covid gelernt hat, darüber referierte Professor Dr. Christoph Aebi, Chefarzt der Kinderklinik in Bern, am Forum für medizinische Fortbildung Pädiatrie Update Refresher.
Die Corona-Fallzahlen sind in der Schweizer Bevölkerung mittlerweile stark zurückgegangen. «Diese Entwicklung korreliert perfekt mit der Abnahme bei der Anzahl Säuglinge mit Covid, die in der Schweiz bei Fieber jeweils kurzzeitig hospitalisiert und dann routinemässig getestet werden», sagte Prof. Aebi. Wegen einer Corona-Infektion mussten im ersten Quartal 2022 am häufigsten Kinder hospitalisiert werden. In der Schweiz war ungefähr die Hälfte der Patienten jünger als zehn Jahre, ein Viertel zwischen zehn und 19 Jahren.
«Während der gesamten Pandemie hat man unterschätzt, wie viele Menschen mit dem Corona-Virus Kontakt hatten und wie häufig Re-Infektionen sind», erklärte Prof. Aebi. Denn ein negativer Antikörper-Test bedeute nicht immer sicher, dass der Patient auch tatsächlich keine Infektion hatte. Überdies zeigte eine Studie, dass nur gerade bei 40 Prozent der oligo- und asymptomatischen Patienten, bei denen mit einer PCR eine Infektion nachgewiesen wurde, auch Antikörper gefunden werden. «Ein Patient kann also Covid-19 gehabt haben und Long-Covid haben, ohne dass sich dies serologisch nachweisen lässt», betonte Prof. Aebi.
Das häufigste klinische Zeichen einer akuten SARS-CoV-2-Infektion sind bei Kindern Fieber und Trinkschwäche. Hinzu kommen oft Kopfschmerzen, Müdigkeit, Halsschmerzen und Anosmie – also Symptome, wie sie auch bei anderen Infektionen vorkommen. Tatsächlich hat es denn auch viele Co-Infektionen gegeben. In Bern waren um den Jahreswechsel 2021/2022 ein Drittel der hospitalisierten Covid-Kinder zusätzlich mit einem anderen Virus infiziert gewesen, primär mit Rhino- und Enteroviren.
Corona-Impfung schützt auch vor PIMS
Die Omikron-Variante hat zu vielen Infektionen geführt, die aber meist benigne verlaufen sind. «In der vierten Welle ist es denn auch nicht zu einer Zunahme der Fälle mit dem Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS) gekommen. Zudem hat die Corona-Impfung vor diesem schweren systemischen hyperinflammatorischen Syndrom geschützt», so der Pädiater und Infektiologe.
PIMS-Fälle waren insgesamt sehr selten. Im Berner Kinderspital wurden während der zwei Pandemiejahre gerade einmal 44 Kinder behandelt. 24 von ihnen waren mit dem Wild- oder Alpha-Typ infiziert, 8 mit der Delta- und 12 mit der Omikron-Variante. «PIMS trat in jeder Altersgruppe auf. Betroffen waren aber hauptsächlich ältere Schulkinder mit medianem Alter von zehn Jahren», so Prof. Aebi. Anders das Kawasaki-Syndrom, das zu 80 Jahren bei Säuglingen und kleinen Kindern unter fünf Jahren vorkommt.
In der Regel tritt das PIMS vier bis sechs Monate nach einer meist harmlosen oder asymptomatisch verlaufenen SARS-CoV-2-Infektion auf und verursacht mitunter massive multiple Organschäden. «Kinder mit drei Tage hohem Fieber, schlechtem Allgemeinzustand, hohem CRP und einem akuten Abdomen oder einer Kawasaki-artigen Mund-/Schleimhautläsion oder Myokarddysfunktion sollten denn auch umgehend auf eine Notfallstation einer Kinderklinik geschickt werden», betonte der Referent.
Trotz Spitalbehandlung – zur Verfügung stehen Immunglobuline, Methylprednisolon, Biologika – bleiben einige Kinder mit PIMS nach der Akutphase noch lange krank. «Sechs Monate nach einem PIMS haben 45 Prozent der Kinder noch eine Leistungsintoleranz und 20 Prozent schwere emotionale, mentale Schwierigkeiten», sagte Prof. Aebi.
Kinder leiden nach Covid primär an Müdigkeit
Geringer ist der Anteil der Kinder mit Post-Covid-Beschwerden. Ungefähr ein bis zwei Prozent der Kinder haben drei Monate nach einer Covid-Infektion noch Rest-Beschwerden. Betroffen sind mehrheitlich die Adoleszenten. Die Symptomatik ist allerdings eine etwas andere als jene von Long-Covid bei Erwachsenen. Bei Erwachsenen korrelieren die Beschwerden stark mit dem Schweregrad der Akutinfektion. Sie haben Organmanifestationen, wie Lungenerkrankungen mit persistierender Hypoxämie mit Sauerstoffbedarf und chronischem Husten. Auch Thromboembolien und klar objektivierbare kognitive Störungen treten häufig auf.
«Kinder und Jugendliche mit Post-Covid-Beschwerden hingegen leiden primär an einer Müdigkeit, die oft auch invalidisierend ist», führte Prof. Aebi aus. Hinzu kommen oft Kopfschmerzen, Halsschmerzen und Anosmie.