Covid-19-Impfung in der Schwangerschaft: Aufklären, impfen, boostern
Die mRNA-Impfungen schützen vor einer schweren Covid-Erkrankung und Schwangerschaftskomplikationen infolgedessen. Ihr Nutzen überwiegt alle bekannten oder möglichen Risiken. Doch die meisten Schwangeren sind noch ungeschützt; gute ärztliche Aufklärung könnte das ändern.
„Die Erstellung von Guidelines für die Impfung von Schwangeren war zu Beginn schwierig, da in den klinischen Studien der Phase III für die Covid-Impfstoffe keine Schwangeren eingeschlossen wurden“, erklärt Dr. Anda-Petronela Radan, Oberärztin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Inselspital Bern. Mittlerweile lasse sich aber aufgrund der vorhandenen Evidenz klar sagen, dass die mRNA-Impfstoffe für werdende Mütter notwendig, wirksam und sicher sind.
Hohes Risiko bei Covid-19 in der Schwangerschaft
„Vor allem im dritten Trimester ist das Risiko für schwere Krankheitsverläufe gross, wenn sich Schwangere infizieren“, so Dr. Radan. Auch im Inselspital seien 26-jährige Frauen ohne Vorerkrankungen, nicht einmal einem erhöhten BMI, wochenlang an der ECMO (Extrakorporale Membranoxygenierung) beatmet worden.
Die Datenlage zeigt überwältigend, dass schwangere Frauen aufgrund von Covid-19 häufiger auf der Intensivstation landen als nicht schwangere, und ein erhöhtes Risiko für Intubation und Beatmung tragen. Darüber hinaus steigt bei einer Covid-19-Erkrankung der Mutter die Gefahr für eine Sectio, Frühgeburtlichkeit und ungünstige neonatale Ergebnisse, sowie das Risiko des intrauterinen Fruchttods. Und auch neugeborene Kinder von Müttern mit Covid-19 haben ein erhöhtes Risiko für eine Einweisung auf die Neugeborenen-Intensivstation.
SARS-CoV-2 greift die Plazenta an
Die Hintergründe der besonderen Gefahr von SARS-CoV-2-Infektionen in der Schwangerschaft werden erst nach und nach geklärt. „Derzeit erhärtet sich aber die Vermutung, dass dem eine Plazentapathologie zugrunde liegt.“
Dr. Radan fand selbst im Zuge einer Forschungsarbeit heraus, dass das Plazentagewicht bei rund 40% der Schwangeren mit SARS-CoV-2-Infektion unter der zehnten Perzentile lag. Darüber hinaus gab es bei Totgeburten Hinweise darauf, dass das Virus auch die Plazenta infiziert hatte.
Immunität wird ans Kind weitergegeben
Dass die Impfung bei Schwangeren immunologisch wirksam ist, bestätigten zuletzt zwei grosse Studien: Schwangere bildeten dabei in ähnlichem Masse neutralisierende oder virusbindende Antikörper gegen das Coronavirus aus wie nicht schwangere Frauen. Die Impfung führte dabei zu rund zehnmal höheren Antikörperspiegeln als eine Infektion. Studiendaten von fast 22.000 Schwangeren bezifferten die Schutzwirkung gegen eine dokumentierte Infektion mit 96% innerhalb einer bis acht Wochen nach der zweiten Impfdosis.
Gemäß vorläufigen Daten zu der Omicron-Variante dürfte die Wirksamkeit der Impfung gegen Infektion zwar reduziert sein (asymptomatische oder milde Verläufe inbegriffen). Ein Schutz gegen schwere Verläufe mit Hospitalisation sind offenbar aber im deutlich höheren Ausmaß immer noch gegeben. Besonders gut ist der Immunschutz, wenn ein Booster verabreicht wurde.
Bei einer Impfung in der Schwangerschaft konnten auch im Nabelschnurblut und in der Muttermilch funktionale Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachgewiesen werden: „Die Immunität wird also auch an die Kinder weitergegeben“, so die Expertin.
Schwangere leiden seltener unter systemischen Nebenwirkungen der Impfung
Besonders wichtig sei für schwangere Frauen, dass die Impfung sicher ist. Grosse Melderegister aus den USA und Grossbritannien belegen dies: „Die Auswertung der Meldungen von über 50.000 Schwangeren ergab, dass Schwangere zwar häufiger von Schmerzen an der Injektionsstelle berichteten, dafür aber seltener systemische Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Myalgien, Schüttelfrost und Fieber hatten. Ausserdem gab es keinerlei Hinweise auf eine Schädigung des Ungeborenen.“
Keine Probleme für Frühschwangerschaft und Fruchtbarkeit
Auch das Risiko eines Spontanabortes in der Frühschwangerschaft war bei geimpften Frauen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung im grossen amerikanischen v-safe-Register nicht erhöht. Das spiegeln auch die klinischen mRNA-Impfstoffstudien wider: „In diese wurden versehentlich auch Schwangere eingeschlossen. Es traten dann zwar Fehlgeburten auf, die entsprachen in ihrer Häufigkeit aber der allgemeinen Bevölkerung – und fanden ausschliesslich in den Placebogruppen statt, keine einzige in einer Impfstoffgruppe.“
Und auch die Befürchtung, dass die Impfstoffe die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen könnten, scheint ein Social-Media-Mythos zu bleiben. Weder in den Registern noch in klinischen Studien gab es Hinweise auf Fruchtbarkeitsprobleme: „Insgesamt 4.800 Frauen aus dem v-safe-Register, die zumindest eine Impfdosis erhalten hatten, hielten seither einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand.“ Forschungsarbeiten fanden zudem keinerlei Auffälligkeiten bei Spermiogrammen und den Erfolgsraten von In-Vitro-Fertilisationen nach einer Covid-19-Impfung.
Empfehlung des BAG für mRNA-Impfstoffe
In der Schweiz wird empfohlen, bei Schwangeren eine Impfung mit einem mRNA-Impfstoff durchzuführen, idealerweise ab dem Beginn des zweiten Trimesters. Seit 26. November 2021 empfiehlt das BAG zudem die Booster-Impfung für Schwangere sechs Monate nach vollständiger Impfung.
Bisher nehmen noch recht wenige Schwangere die Impfung in Anspruch: Amerikanische Daten zeigen, dass aktuell nur rund ein Drittel der Schwangeren zu einer Impfung bereit ist – Dr. Radan schätzt, dass ähnliche Zahlen auch für die Schweiz gelten. „Studien zeigen aber, dass sich rund 50% der Schwangeren zu einer Impfung bereit erklären würden, wenn ihnen lediglich vermittelt werden konnte, dass diese wirksam ist. Das entspricht den heutigen Zahlen noch nicht.“
Referenz
„COVID-Impfung in der Schwangerschaft“, Dr. Anda Radan, WebUp Experten-Forum „Update Gynäkologie“, 25. November 2021