Wegen Ibuprofen an der ECMO
Pulmonale Arzneimittelnebenwirkungen sind eine Krux: Fast jedes Medikament kann Lungenschäden auslösen, fast jede Lungenkrankheit durch eine Nebenwirkung imitiert werden.
Klopfen Sie bei Ihren Patienten im Detail den Medikamentenkonsum ab? Wahrscheinlich nicht. Das sollten Sie aber, denn bei allen differenzialdiagnostischen Überlegungen ist auch an Lungenschädigungen durch Arzneimittel zu denken, mahnte Professor Dr. Jens Schreiber von der Universitätsklinik für Pneumologie in Magdeburg. Die Relevanz der gezielten Anamnese illustrierte er anhand der folgenden Kasuistik:
Ein gesunder 38-Jähriger bricht sich beide Fersenbeine, die chirurgisch versorgt werden. Postoperativ bekommt er dreimal täglich 600 mg Ibuprofen gegen die Schmerzen. 24 Stunden später hat er ein nichtkardiogenes Lungenödem mit Dyspnoe und Husten entwickelt. «Nur weil ein Medikament lange bekannt, frei verkäuflich und billig ist, heisst das nicht, dass es harmlos ist», betonte Prof. Schreiber. Die aus seiner Sicht sehr empfehlenswerte Datenbank pneumotox.com listet allein für NSAR fast ein Dutzend relevante Nebenwirkungen auf, die vom banalen Schluckauf über schwere, potenziell letale Asthmaattacken bis zu Anaphylaxie und Angioödem reichen.
Checkpoint-Blockade mit Fallstricken
Die Hypersensitivitäts-Pneumonitis ist die bekannteste pulmonale Nebenwirkung der Immuncheckpoint-Inhibitoren, aber beileibe nicht die einzige. Es gibt vielfältige Bilder von rasch einsetzenden, progredient verlaufenden diffusen Alveolarschäden bis zur interstitiellen Pneumonie mit eher protrahiertem Verlauf.
«Extreme Praxisrelevanz» bescheinigte Prof. Schreiber granulomatösen Entzündungen in Lunge und Lymphknoten, die im PET-CT aufleuchten und sich oft kaum gegen einen Tumorprogress abgrenzen lassen. «Wir hatten zwei Patienten, bei denen sich Radiologen und Nuklearmediziner absolut sicher waren», berichtete der Pneumologe. «Aber man tut dem Patienten unrecht, wenn man die Therapie absetzt, weil man glaubt, der Tumor sei progredient.» Da hilft nur, den Befund bioptisch zu sichern.
Heilpflanzen führten zur Bronchiolitis obliterans
Auch das breit eingesetzte Hydrochlorothiazid (HCT) hat seine Tücken: Wer denkt schon bei einem Patienten mit Lungenfibrose daran, dass das im Antihypertensivum enthaltene HCT der Auslöser sein könnte? «Ich bin überzeugt, dass es da eine hohe Dunkelziffer gibt», meinte Prof. Schreiber. Auf der 87 Medikamente und Prozeduren umfassenden Pneumotox-Liste zur Lungenfibrose stehen übrigens auch andere unvermutete Verdächtige wie Statine, Betablocker und verschiedene Psychopharmaka. Natürlich sind auch Phytopharmaka nicht so harmlos wie Patienten gerne glauben möchten. Ende der 1990er-Jahre machten per Internet erhältliche Abspeckmittel von sich reden, die asiatische «Heilpflanzen» enthielten. Eine ganze Reihe von Anwenderinnen bezahlten den Konsum mit einer Bronchiolitis obliterans, teilweise sogar mit dem Tod.
Ein vergleichsweise häufiges Phänomen, vor allem bei jungen Menschen, ist die arzneiinduzierte akute eosinophile Pneumonie (AEP). Einer von fünf Betroffenen erkrankt so schwer, dass er mechanische Beatmung benötigt. Wichtig zu wissen: Normale Eosinophilenzahlen im Blutbild schliessen eine EAP nicht aus – im Gegenteil. Acht von zehn Patienten mit EAP zeigen keine Bluteosinophilie trotz massiver Infiltration des Lungengewebes. Das heisst, bei diesen unklaren pulmonalen Krankheitsbildern müssen die Patienten bronchoskopiert und lavagiert werden. Eine Sonderform ist das PIE-Syndrom (pulmonale Infiltrate plus Eosinophilie), das unter Sartanen auftreten kann. Auch hier verschwinden Infiltrate und Bluteosinophilie, wenn der Patient den AT1-Blocker absetzt.
Ein und dasselbe Medikament kann je nach individueller Prädisposition sehr heterogene Reaktionsmuster hervorrufen. Das Spektrum reicht quer durch die gesamte Pneumologie: vom harmlosen Husten, der nicht nur die ACE-Hemmer-Therapie begleitet, sondern mindestens drei Dutzend weitere Wirkstoffe, bis hin zu schweren Komplikationen mit Entzündungen, Fibrosen und Hämorrhagien.
Selbst Pleuritiden und Pleuraergüsse können medikamentös induziert sein. Hochakute Verläufe kommen vor, die den Patienten binnen Stunden auf die Intensivstation bringen.
Nicht alles ist nach Absetzen reversibel, aber je früher es erfolgt, desto eher stoppen die pathologischen Prozesse. Aber nicht zwingend sofort: «Eine medikamentös induzierte Lungenfibrose schreitet auch fort, nachdem Sie das Medikament abgesetzt haben», warnte Prof. Schreiber. Das unterstreicht die Bedeutung von Wachsamkeit und Früherkennung.
Checkpoint-Blockade mit Fallstricken
Die Hypersensitivitäts-Pneumonitis ist die bekannteste pulmonale Nebenwirkung der Immuncheckpoint-Inhibitoren, aber beileibe nicht die einzige. Es gibt vielfältige Bilder von rasch einsetzenden, progredient verlaufenden diffusen Alveolarschäden bis zur interstitiellen Pneumonie mit eher protrahiertem Verlauf.
«Extreme Praxisrelevanz» bescheinigte Prof. Schreiber granulomatösen Entzündungen in Lunge und Lymphknoten, die im PET-CT aufleuchten und sich oft kaum gegen einen Tumorprogress abgrenzen lassen. «Wir hatten zwei Patienten, bei denen sich Radiologen und Nuklearmediziner absolut sicher waren», berichtete der Pneumologe. «Aber man tut dem Patienten unrecht, wenn man die Therapie absetzt, weil man glaubt, der Tumor sei progredient.» Da hilft nur, den Befund bioptisch zu sichern.
Statt Bakterien waren Eosinophile am Werk
Häufigste Fehldiagnose bei unklaren Lungenbefunden, die letztlich auf eine Medikamentenexposition zurückzuführen sind, ist nach Erfahrung des Kollegen die akute Infektion: Eine junge Patientin nahm Ibuprofen wegen eines Atemwegsinfekts. Sie entwickelte eine akute eosinophile Pneumonie mit Myokardbeteiligung und musste schliesslich auf der Intensivstation an die ECMO angeschlossen werden. Zuvor hatte man sie wegen einer vermeintlichen bakteriellen Pneumonie antibiotisch behandelt.
27. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin – Online-Veranstaltung