Substitution senkt Schlaganfall-, Infarkt- und Sterberisiko
Salzersatz mit 75 % NaCl und 25 % KCl kann auf Bevölkerungsebene viele kardiovaskuläre Ereignisse verhindern. Massenhaft Hyperkaliämien muss man nicht befürchten.
Dass Salzsubstitute den Blutdruck senken, ist längst bekannt. Was sie bei kardiovaskulären Endpunkten leisten, beantwortet nun die SSaSS-Studie, an der sich fast 21 000 Einwohner von 600 chinesischen Dörfern fünf Jahre lang beteiligt haben. Sie hatten entweder schon einen Schlaganfall hinter sich – das war bei etwa 73 % der Fall – oder waren älter als 60 Jahre mit schlecht kontrolliertem Blutdruck. Die Randomisierung erfolgte nach Dörfern, die Endpunktauswertung verblindet, berichtete Studienleiter Professor Dr. Bruce Neal, The George Institute for Global Health Sydney.
Die Teilnehmer (je zur Hälfte Frauen und Männer) erwiesen sich als sehr diszipliniert. 92 % der Interventionsgruppe benutzten den Salzersatz durchgehend bis Studienende, was den Blutdruck um 3,3/0,7 mmHg im Vergleich zur Kontrollgruppe, die mit herkömmlichem Salz würzte, senkte. Das Follow-up war durch das chinesische System der Krankenversicherung im ländlichen Bereich erleichtert, sodass nahezu komplette Endpunktdaten vorlagen. Schlaganfälle als primärer Endpunkt wurden signifikant um 14 % reduziert, schwere kardiovaskuläre Komplikationen um 13 % und die Gesamtmortalität um 12 %. Hyperkaliämien und plötzliche Herztode als mögliche Folge wurden unter Salzersatz nicht häufiger beobachtet als bei den Kontrollen.
Die Stärke der Studie liegt in ihrer Grösse und Dauer und dem pragmatischen Interventionsansatz. Dass sie nur in einem Land durchgeführt wurde, wird dadurch kompensiert, dass es wenig Unterschiede beim Salzmetabolismus zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen gibt, betonte Prof. Neal: «Die Studie ist unserer Meinung nach relevant für jeden, der Salz konsumiert.»
Salzersatz im Pflegeheim
Wie sich Salzersatz praktisch gestalten lässt, zeigt die in chinesischen Altenheimen mit rund 1600 Einwohnern durchgeführte Studie DECIDE-Salt, die Professor Dr. Yangfeng Wu, Universität Peking, vorstellte. In Heimen, deren Küchen ein Ersatzprodukt benutzten, sank der systolische Blutdruck im Schnitt um 7mmHg, die kardiovaskulären Ereignisse um relativ 40% in zwei Jahren. In dieser Studie gab es eine knapp dreifach erhöhte Rate an laborchemisch festgestellten Hyperkaliämien, die aber keine gravierenden klinischen Konsequenzen hatten. Was nicht klappte, war den Salzkonsum insgesamt zu reduzieren.
Praktisch kein Unterschied im Geschmack
Konsequenter Salzersatz könnte allein in China mehr als eine Million schwerer Komplikationen pro Jahr verhindern und fast eine halbe Million vorzeitige kardiovaskuläre Todesfälle. Das ist gut auf andere Länder übertragbar, meinte Prof. Neal. Nur in wenigen Regionen der Welt resultiert der grösste Teil des Natriumkonsums aus «verstecktem» Salz – Europa und Nordamerika gehören dazu. Das unterstreicht, wie wichtig es ist, die Ernährungsindustrie ins Boot zu holen. Das oft gehörte Argument, Kaliumsalz schmecke bitter, zieht nicht: Die 75 %/25 %-Mischung schmeckt praktisch wie 100 % NaCl.
«Eine starke Studie mit enormer Power», gratulierte Professor Dr. Bryan Williams, University College London. Grosse klinische Studien haben oft 5 000 Teilnehmer – diese hatte 5 000 Ereignisse. Der Charme liegt auch darin, dass die Substitution einfacher durchzuhalten ist als beispielsweise die Steigerung körperlicher Aktivität. «Die Diskussion um den Nutzen der Salzrestriktion für die kardiovaskuläre Prävention endet hier. Die globale Implementierung muss beginnen», so Prof. Williams.
1. Neal B et al. N Engl J Med 2021; doi: 10.1056/NEJMoa2105675.
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