Medikamentöse ADHS-Therapie aufmerksam überwachen
Einige der Substanzen, die bei ADHS eingesetzt werden, haben ein hohes Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial. Deshalb sollte man stets auf Anzeichen einer Zweckentfremdung der Stimulanzien achten und – wenn nötig und wenn möglich – die Verordnung der Medikamente beenden.
Nicht jeder ADHS-Patient nimmt die verschriebenen Medikamente vorschriftsmässig ein. Eine systematische Übersichtsarbeit gibt die Lebenszeitprävalenz des Stimulanzienmissbrauchs mit 7,1 % bis 29 % bei Erwachsenen an, bei Jugendlichen mit 1,7 % bis 4,5 %. Bei Erwachsenen und Jugendlichen mit ADHS soll er bei 14 % liegen. Die Fachinformationen der Medikamente enthalten entsprechende Warnhinweise.
Als wichtigster Risikofaktor für den Missbrauch von Stimulanzien wie Methylphenidat gilt ein Abusus anderer psychotroper Substanzen, aktuell oder in der Vorgeschichte. Besonders anfällig sind zudem Personen mit Depression. Auch das männliche Geschlecht und die Einnahme stimulierender Präparate im Familien- und Freundeskreis fördern die nicht bestimmungsgemässe Anwendung. Kurz wirksame Wirkstoffe werden eher zweckentfremdet als lang wirksame. Deshalb empfiehlt die Leitlinie von DGPPN und DG-Sucht*, gefährdeten Patienten – wenn überhaupt – Retardpräparate zu verordnen.
Stimulanzien sollte man ausschliesslich im Rahmen der Zulassung einsetzen, stellen die Leitlinienautoren klar. Für Methylphenidat sind dies ADHS und Narkolepsie. Mit Lisdexamphetamin dürfen Kinder und Erwachsene (bis 55 Jahre) mit ADHS behandelt werden, mit Dexamphetamin nur Kinder und Jugendliche. Modafinil ist in Deutschland und auch der Schweiz zur Therapie einer exzessiven Schläfrigkeit bei Narkolepsie zugelassen. Die Anwendung bei Depression und chronischem Erschöpfungssyndrom erfolgt mit allen vier Substanzen off label.
Um einen Missbrauch rechtzeitig zu erkennen, sollte die Therapie sorgfältig überwacht werden. Dabei ist gezielt auf Anzeichen wie Toleranzentwicklung, Dosissteigerung oder wirkstoffsuchendes Verhalten zu achten. Ein Screening auf den Beikonsum anderer psychotroper Substanzen, auch illegaler Drogen, kann ebenfalls sinnvoll sein.
Stimulanzien keinesfalls abrupt absetzen
Unter langfristiger Behandlung sollte der Nutzen regelmässig geprüft werden. Die Therapiekontrolle gelingt am besten, wenn der verordnende Arzt auch die Überwachung übernimmt. Bei nicht bestimmungsgemässem Gebrauch ist zu prüfen, ob der Patient die empfohlene Tagesdosis überschreitet oder sich sein Medikament von mehreren Ärzten verschreiben lässt. Gegebenenfalls sollte er zu einer Dosisreduktion in den vorgesehenen Bereich motiviert werden. Ein abruptes Absetzen ist zu vermeiden, denn das kann Entzugssymptome auslösen und zur Exazerbation der Grunderkrankung führen.
Stimulanzien sollten bei nicht zweckgemässer Anwendung nur dann weiterverordnet werden, wenn es ohne sie zu schweren Krankheitssymptomen mit funktioneller Beeinträchtigung kommen würde. Der missbräuchliche Konsum darf zudem keine relevanten Nebenwirkungen zur Folge haben. Muss die Behandlung wegen einer substanzbezogenen Störung beendet werden, soll der Patient bei Bedarf andere Unterstützung bekommen, etwa durch die Verordnung von Nichtstimulanzien oder Psychotherapie. Gegebenenfalls muss dies mit einer suchtmedizinischen Behandlung verbunden werden.
* Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde; Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie
S3-Leitlinie Medikamentenbezogene Störungen, AWMF-Register-Nr. 038-025; www.awmf.org