Die Eltern sensibilisieren, um Typ-1-Diabetes früh zu erkennen
Ein Diabetes Typ 1 trifft viele Familien plötzlich und unerwartet. Unentdeckt kann er zu einer lebensbedrohlichen Stoffwechselentgleisung führen. Was auf Betroffene zukommen kann, wenn man die Symptome zu spät erkennt, schildert eine Mutter aus eigener Erfahrung.
Wenn es uns gelingt, Eltern so zu sensibilisieren, dass sie die Symptome eines Typ-1-Diabetes bei ihren Kindern erkennen, bevor es zu einer schweren Stoffwechselentgleisung kommt, können wir den Familien sehr viel Leid ersparen.» Es waren mahnende Worte, die DDG* Präsident Professor Dr. Andreas Neu von der Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Tübingen wählte. Auf diese vier Warnzeichen gilt es zu achten: ständiger Durst, häufiges Wasserlassen, stetige Müdigkeit und Gewichtsverlust.
Für Behandelnde in den Haus- und Kinderarztpraxen sei die Inzidenz zu klein, um die Schlüsselsymptome eines beginnenden Typ-1-Diabetes bei jeder Untersuchung präsent zu haben, erklärte der Vorsitzende der AG Pädiatrische Diabetologie der DDG (AGPD) PD Dr. Thomas Kapellen, MEDIAN Kinderklinik «Am Nicolausholz» in Bad Kösen. Führt man sich dann noch vor Augen, dass etwas mehr als jeder vierte Fall in einer Ketoazidose mündet, muss man nach den Gründen für den Start der Aufklärungskampagne nicht mehr fragen.
Symptome häufig nicht richtig eingeordnet
Welche beängstigenden Szenen den Familien erspart bleiben können, schilderte die Mutter eines betroffenen Jungen. «Er stand am Anfang der Pubertät, deshalb haben wir es anfangs für normal gehalten, als er sich immer häufiger in seinem Zimmer und im Bad einschloss», erinnerte sie sich. Der damals 15-Jährige war ein begeisteter Mountainbiker und eigentlich immer unterwegs, hatte darauf aber plötzlich keine Lust mehr, war ständig müde, hatte viel Durst und musste häufig auf die Toilette. Gedanken machte sich die Familie, als er an Gewicht verlor, «obwohl er immer gut gegessen hat». Im Rückblick sei dies der Punkt, an dem sie hätte hellhörig werden und zum Arzt gehen müssen, sagte die Mutter.
Nach diesem schleichenden Beginn ging es dann innerhalb weniger Wochen sehr schnell. Die Konzentrationsprobleme des Jungen in der Schule wurden immer schlimmer. Eines Tages lag er abgeschlagen auf der Couch, atmete plötzlich sehr flach, konnte nicht mehr flüssig sprechen, sondern lallte. Die Eltern fuhren daraufhin mit ihm zu Prof. Neu in die Tübinger Kinderklinik, der bei dem Jungen eine schwere Ketoazidose feststellte.»Das war eine durchaus kritische Situation», erklärte er. «Wir mussten ihn auf die Intensivstation verlegen, um die erhebliche Entgleisung wieder zu rekompensieren.»
Eltern sollten rechtzeitig ärztliche Hilfe suchen
Zum Glück geht es dem Jungen heute wieder gut. Von einem Alltag konnte die Familie jedoch lange nicht sprechen. «Es hat fast ein Jahr gedauert, bis wir die Erkrankung zumindest für ein paar Stunden in den Hintergrund schieben konnten», sagte die Mutter. Macht sie sich Vorwürfe, dass sie die Zeichen des Diabetes nicht früher erkannt hat? «Wir wussten ja gar nicht, wie sich ein Typ-1-Diabetes äussert. Wir dachte, das gehört alles zur Pubertät und sei normal in dem Alter.»
Die beschriebene Müdigkeit, der anhaltende Durst, Gewichtsverlust und der häufige Harndrang des Jungen sind die Schlüsselsymptome der Erkrankung. Unsichere Eltern sollten zum Arzt gehen, wenn sie das Gefühl haben, «das ist nicht mehr mein Sohn, meine Tochter», riet Prof. Neu abschliessend.
* Deutsche Diabetes Gesellschaft
Pressekonferenz Diabetes Kongress 2021