Das müssen Ihre Diabetes-Patienten über Alkohol wissen
Alkohol und Diabetes stehen miteinander auf Kriegsfuss. Denn zum einen sind alkoholische Getränke in der Regel energiereich. Zum anderen wird beim Abbau von Alkohol die hepatische Glukosefreisetzung gehemmt. Das ist bei einem insulinpflichtigen Diabetes mit einer deutlichen Risikosteigerung für Hypoglykämien verbunden.
Akut begeben sich insulinabhängige Diabetiker mit einem Gläschen Wein zu viel freiwillig in ein erhöhtes Risiko für Hypoglykämien. Diese können besonders lange anhalten und der Glukosespiegel kann sehr tief abfallen, weil hepatische Glukose nicht wie sonst bei einer Hypoglykämie freigesetzt werden kann (s. Kasten), um den Glukosespiegel wieder anzuheben.
Besonders gefährlich wird es, wenn sich der Diabetespatient nach einem feucht-fröhlichen Abend betrunken ins Bett legt. Kommt es während des Schlafs zu einer Hypoglykämie, setzt die hormonelle Gegenregulation bereits ohne Alkohol erst bei niedrigeren Blutzuckerwerten ein als im Wachzustand – Alkohol verstärkt dieses Problem zusätzlich.
Heimische Notfallsets sind bei Betrunkenen nutzlos
Besteht eine schwere Hypoglykämie, und ist der Patient noch bei Bewusstsein, sollte er 20 g schnell wirksame Kohlenhydrate oral einnehmen. Im nüchternen Ernstfall wissen Betroffene und Angehörige, dass das in den Notfallsets enthaltene Glukagon, intramuskulär oder subkutan gespritzt bzw. intranasal appliziert, die Hypoglykämie beenden kann. Unter Alkoholeinfluss funktioniert die hepatische Anregung durch Glukagon aber nicht und der blutzuckersteigernde Effekt bleibt aus. Bei Bewusstlosigkeit kann daher nur intravenöse Glukose helfen.
Kohlenhydrate zum Alkohol
Die Diabetesberaterinnen Sophia Cotney und Patricia Kirschke vom Diabeteszentrum Bad Mergentheim betonen, dass der richtige Umgang mit Alkohol und die besonderen Risiken für Diabetiker zu den festen Bestandteilen der Patientenschulung gehören. Natürlich bedeutet das nicht, einem an Diabetes Erkrankten sein gelegentliches Gläschen Wein grundsätzlich zu verwehren. Doch er sollte dazu immer gezielt Nahrung aufnehmen, die lang wirkende Kohlenhydrate enthält. Als Faustregel gilt: Ein Glas Bier oder Wein zu einer Hauptmahlzeit ist in Ordnung. Anpassungen sind jedoch notwendig, sobald ein zweites hinzukommt.
Es wird empfohlen, dass Frauen mit oder ohne Diabetes nicht mehr als 10 g Alkohol, Männer nicht mehr als 20 g Alkohol pro Tag konsumieren. Kann der insulinpflichtige Patient bereits im Vorfeld abschätzen, dass er diese Grenzen in einer bestimmten Situation überschreiten wird, hilft es, wenn er seine Glukosezielwerte schon während des Konsums anhebt (z.B. je nach Erfahrung 8,88–13,88 mmol/l) und die abendliche Insulindosis vermindert, um in der Nacht besser vor Hypoglykämien geschützt zu sein. Die Insulindosis komplett auszulassen, kommt aber auf keinen Fall infrage, sonst kann er in eine gefährliche Hyperglykämie inkl. Ketoazidose geraten, warnen die Expertinnen. Generell gilt: Tritt nach Alkoholkonsum eine Hypoglykämie auf, sind deren Symptome manchmal schwer von denen eines Alkoholrauschs abzugrenzen. Daher sollten Patienten in diesen Situationen lieber einmal mehr messen als einmal zu wenig!
Nicht auch noch das Tanzbein schwingen
Diabetespatienten unter intensivierter Insulintherapie können den Blutzucker am besten über Snacks bzw. Anpassungen beim kurz wirksamen Insulin regulieren. Alkoholische Getränke sollten jedenfalls nicht als Kohlenhydrat- oder Broteinheiten angerechnet und auch nicht mit Mahlzeiteninsulin abgedeckt werden. Kurz wirksames Insulin nachzudosieren, empfehlen die beiden Autorinnen nur, wenn der Glukosewert auch nach Zuwarten nicht abfällt. Den Patienten wird ausserdem geraten, den Blutzucker während und nach dem Konsum häufiger (stündlich) zu messen, eventuell auch zusätzlich in der Nacht. Man muss damit rechnen, dass die Leber pro Stunde 0,1‰ Alkohol abbaut. Damit kann sie je nach Trinkmenge die ganze Nacht und darüber hinaus beschäftigt sein.
Körperliche Bewegung ist grundsätzlich immer positiv für Diabeteskranke. Im Zusammenhang mit Alkohol hat sie aber einen Haken. Denn körperliche Anstrengung lässt den Blutglukosespiegel zusätzlich abfallen. Der insulinbehandelte Diabetespatient sollte deshalb eher darauf verzichten, nach einem Abendessen mit reichlich Alkohol auch noch das Tanzbein zu schwingen.
Na dann, Prost!
Alkoholabbauende Enzyme brauchen für ihre Arbeit Nicotinamidadenindinukleotid (NAD+) als Co-Enzym. Gibt es viel abzubauen, entsteht ein Überschuss des NAD+-Abbauprodukts NADH/H+, während NAD+ nur noch begrenzt zur Verfügung steht. Gebraucht wird das Co-Enzym aber auch für die Glykolyse und Glukoneogenese. Diese können also bei einem NAD+-Mangel nur eingeschränkt stattfinden. Das hat nicht nur akut, sondern auch langfristig Konsequenzen. Wird die Leber anhaltend mit Alkohol überbeschäftigt, resultiert aus der Hemmung der Glukoneogenese ein Anstieg der Triglyzeridsynthese, was den Weg in die alkoholbedingte Fettleber beschleunigt. Ausserdem ist den wenigsten Menschen bewusst, wie viele Kalorien sich in alkoholischen Getränken verbergen. Gerade für Patienten mit Typ-2-Diabetes ist es oft wichtig, eine Gewichtsreduktion zu erreichen.