6. Sept. 2021Wurst-Käs-Szenario

Histaminunverträglichkeit: Zusammenhang zwischen Kost und Symptomen prüfen

Die Existenz der Histaminunverträglichkeit ist nach wie vor umstritten. Im Labor lässt sie sich nicht nachweisen. Dennoch glauben viele Patienten felsenfest daran. Pragmatische Lösungen sind deshalb gefragt – ohne allzu restriktive Diät.

Salami und Käse auf Holzbrett. Vorspeisen.
iStock/CarlaNichiata

Die chronische Histaminunverträglichkeit muss man zunächst von einer akuten Intoxikation unterscheiden. Letztere wird fast immer durch zu warm gelagerten Fisch, selten auch durch Käse ausgelöst. Eine weitere wichtige Differenzialdiagnose ist das Mastzell-Aktivierungssyndrom.

Histamin entsteht bei mikrobieller Fermentation

Die Histaminintoleranz kann vielfältige Symptome verursachen – von Gesichtsrötung und Juckreiz bis zur Diarrhö (s. Kasten), wobei die Ausprägung von der aufgenommenen Menge abhängt. Die Bildung von Histamin findet in Nahrungsmitteln, die mit Pilzen oder Bakterien fermentiert wurden, statt. Dazu zählt Geräuchertes (Fleisch, Fisch) ebenso wie gereifter Käse, Sauerkraut und alkoholische Getränke, schreibt Diätassistentin Ulrike Och von der Universitätskinderklinik Münster.

Die Evidenzlage zur Unverträglichkeit ist derzeit noch widersprüchlich. So konnte in einer Untersuchung mit potenziell Betroffenen zwar gezeigt werden, dass der Verzicht auf histaminreiche Nahrungsmittel die Beschwerden lindert. In einer später verblindeten Studie gelang es allerdings nicht, beschriebene Symptome durch eine gezielte orale Applikation zuverlässig zu reproduzieren. In diese Studie wurden nur Patienten eingeschlossen, die zuvor bei einem offenen oralen Provokationstest auf das biogene Amin reagiert hatten.

Potenzielle Unverträglichkeitszeichen

  • Kopf: Kopfschmerz, Migräne, Schwindel
  • Herz-Kreislauf-System: Hyper- und Hypotonie, Tachykardie, Arrhythmien
  • Haut: Flush, Erythem, Exanthem, Ekzem, Juckreiz
  • Gastrointestinaltrakt: abdominale Schmerzen, Meteorismus, Diarrhö, Obstipation, Nausea/Vomitus
  • Respirationstrakt: nasale Kongestion, Dyspnoe, Asthma-Symptome
  • Menstruation: Zyklusstörungen, Dysmenorrhö

Blutspiegel helfen diagnostisch nicht weiter

Die mangelnde Reproduzierbarkeit passt nicht zu einer isolierten Intoleranz. Möglicherweise richtet sich die Unverträglichkeit auch gegen andere biogene Amine wie Tyramin oder Phenylethylamin. Diese können in histaminreichen Nahrungsmitteln ebenfalls vermehrt vorkommen und konkurrieren im Körper mit Histamin um das abbauende Enzym Diaminoxidase.

In der Praxis lassen sich die Symptome oft nicht eindeutig auf bestimmte Lebensmittel zurückführen, betont die Autorin. Dies liegt u.a. daran, dass der Histamingehalt nicht nur je nach Ausgangsware und Herstellung schwankt, sondern durch Lagerung und Reifung zunimmt. Ausserdem treten die Beschwerden mitunter erst geraume Zeit nach dem Verzehr auf.

Erhöhte Histaminspiegel im Blut helfen diagnostisch nicht weiter. Denn diese können ebenso gut auf einer vermehrten Freisetzung aus Mastzellen beruhen. Auch andere Nachweisverfahren haben sich bisher nicht als zuverlässig erwiesen.

Es gibt allerdings Patienten, die ihre Symptome relativ sicher konkreten Nahrungsmitteln zuordnen können. Diesen Betroffenen hilft es, von der Hypothese einer Unverträglichkeit ausgehend individuelle Ernährungsempfehlungen zu erarbeiten. Das Vorgehen ist dreistufig:

In der Karenzphase wird geklärt, ob zwischen Kost und Symptomen ein Zusammenhang besteht. Um ihn zu ermitteln, soll der Patient 14 Tage lang alle potenziell unverträglichen Speisen und Getränke meiden.

Während der anschliessenden sechswöchigen Testphase prüft der Betroffene, was ihm tatsächlich Beschwerden bereitet. Dazu führt er Schritt für Schritt neue Nahrungsmittel in seinen Speiseplan ein und dokumentiert etwaige Symptome in einem Tagebuch. Zu bedenken ist dabei, dass kleine Histamindosen oft gut toleriert werden. Die Unverträglichkeit macht sich erst bei grösseren Mengen bzw. der Kombination mit anderen problematischen Produkten bemerkbar.

Wie sich der Speisezettel in der Dauerernährung zusammensetzt, hängt von der individuell ermittelten Toleranz ab. Allgemeingültige Empfehlungen für die langfristige Ernährungsweise gibt es nicht.

Basierend auf den Erfahrungen ihrer Patienten hat die Autorin eine Liste von Lebensmitteln erstellt, die besonders häufig Symptome auslösen (s. Kasten unten). Sollten Betroffene, etwa beim Essen ausser Haus, ihre Diät nicht einhalten können, hilft mitunter die prophylaktische Einnahme des Enzyms Diaminoxidase. Es ist als Nahrungsergänzungsmittel in Apotheken und im Internet erhältlich.

Was es in der Karenzphase zu meiden gilt

  • alkoholische Getränke (vor allem Rotwein)
  • Käse (insbesondere lang gereifte Sorten)
  • Salami, Rohwürste, Rohschinken
  • Fisch (vor allem Konserven)
  • Nüsse
  • kakaohaltige Lebensmittel
  • Tomaten, Sauerkraut, Spinat
  • Zitrusfrüchte, Kiwis, Erdbeeren

Histaminarm und damit erlaubt sind u.a. Kartoffeln, Reis, Teigwaren, Brot, Gebäck, alle frischen oder tiefgekühlten Fleischarten, Eier, alle oben nicht genannten Obst- und Gemüsesorten sowie alle Schinken-/Wurstsorten und Milchprodukte, die keine Reifungszeit benötigen.

Och U. Ernaehrungs Umschau 2021; 68: 21–28.