1. Dez. 2024Abklärung und Behandlungsindikation in der Praxis

Das Raynaud-Phänomen ist häufiger als angenommen

Hinter der Weissfingerkrankheit steckt oft eine harmlose Durchblutungsstörung. Doch manchmal geht das Raynaud-Phänomen auch mit Schmerzen einher oder steht im Zusammenhang mit einer Grunderkrankung. Dann sind eine Abklärung und Behandlung angezeigt.

Das Raynaud-Phänomen wird unter anderem von Kälte und Stress getriggert.
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Die Prävalenz des Raynaud-Phänomens beträgt je nach Studie und Population bis zu zehn Prozent.

Die «Weissfingerkrankheit» ist somit verbreiteter als Multiple Sklerose, Parkinson-Krankheit oder Leukämie. Betroffen sind mehr Frauen als Männer.

Diagnose und Symptome

Die Diagnose wird primär klinisch gestellt. «Typischerweise zeigt sich das Raynaud-Phänomen mit Farbveränderungen an den Akren, die ischämisch bedingt sind», erklärt Dr. Rucsandra Dobrota, Oberärztin an der Klinik für Rheumatologie, Universitätsspital Zürich*.

Betroffen sind vor allem Finger oder Zehen sowie selten auch Nasenspitze, Ohrknorpel oder Zunge. Bei einigen Patienten treten zudem Begleitsymptome auf. Dazu gehören Parästhesien, Schmerzen oder eine eingeschränkte Handfunktion.

Auslöser: Kälte und Stress

Die Farbveränderungen an den Akren sind meist kälte-, manchmal auch stressinduziert. «Nicht hinter jeder Verfärbung steckt jedoch ein Raynaud-Syndrom», betont die Referentin.

Andere Ursachen sind unter anderem eine Akrozyanose, eine Erythromelalgie, ein Livedo, ein Lupus pernio, Frostbeulen oder ein Blaufingersyndrom.

Unterschiede zwischen primärem und sekundärem Raynaud-Phänomen

Ein primäres Raynaud-Syndrom manifestiert sich erstmals im Jugendalter, tritt familiär und saisonal gehäuft auf. Die Farbveränderungen sind meist symmetrisch verteilt und betreffen oft nur die Langfinger. «Der Leidensdruck ist in der Regel geringer als bei der sekundären Form», so Dr. Dobrota. Diese tritt meist im späteren Alter und mit höherem Leidensdruck auf. Die Farbveränderungen sind ausgeprägter und können auch asymmetrisch sein.

Ein sekundäres Raynaud-Phänomen kann ausserdem mit systemischen Erkrankungen assoziiert sein.

  • Dazu gehören
  • Kollagenosen,
  • Vaskulitiden,
  • Arteriosklerose oder
  • Hypothyreose.

Manchmal ist das Problem auch drogen- und medikamenteninduziert (u. a. durch Amphetamine, Kokain, Nikotin, Interferon, Östrogen, Betablocker, Sympathomimetika), Folge eines Vibrationstraumas oder einer Exposition an toxischen Substanzen (Schwermetalle, Vinylchlorid).

Abgeklärt wird, wenn ein Leidensdruck besteht, Schmerzen vorhanden sind oder wenn das Raynaud-Phänomen die Patienten in Beruf und Alltag einschränkt. «Empfohlen ist, jeden Erwachsenen mit einem neu aufgetretenen Raynaud-Syndrom und Beschwerden einmal abzuklären, um eine sekundäre Ursache auszuschliessen», erläutert Dr. Dobrota.

Mögliche Ursachen eines sekundären Raynaud-Phänomens

Denn nicht selten ist ein Raynaud-Syndrom das erste Anzeichen für eine Kollagenose, insbesondere für eine systemische Sklerose oder ein Sjögren-Syndrom, das bereits Jahre vor Ausbruch der Erkrankung auftreten können. Die Basisabklärung umfasst Anamnese und klinische Untersuchung, Labor und Kapillarmikroskopie.

«Behandelt wird nur, wenn Beschwerden bestehen», betonte PD Dr. Carina Mihai, Leitende Ärztin der Klinik für Rheumatologie, Universitätsspital Zürich. Ziel ist es, Lebensqualität und Funktion zu verbessern, die Attacken und Begleitsymptome zu reduzieren sowie bei der sekundären Form auch Komplikationen zu verhindern.

Therapieansätze: Von Edukation bis Medikation

Die Therapie beinhaltet primär nichtmedikamentöse Massnahmen. Dazu gehören Edukation, Rauchstopp, Stressabbau sowie vorbeugende Massnahmen (z. B. Kälteschutz, Paraffinbau, Kontakt mit kalten und feuchten Gegenständen meiden). Medikamentös behandelt wird laut Dr. Mihai das sekundäre Raynaud-Syndrom, vor allem, wenn Komplikationen (kritische Ischämie, Ulzerationen) oder ein erhöhter Leidensdruck bestehen.

Aufgrund der vorhandenen Daten werden primär Kalziumkanalblocker, in zweiter Linie Phosphodiestherase 5 (PDE-5)-Inhibitoren und im dritten Schritt, bei einem komplizierten oder refraktären Raynaud-Phänomen, das Prostacyclin-Analogum Iloprost eingesetzt. Weitere Optionen sind Bosentan (v. a. bei einer systemischen Sklerose mit multiplen, rezidivierenden Ulzera, zur Prävention neuer Ulzera) oder topisches Nitrogylzerin (1,2).

Verlaufskontrolle und Nachsorge

Eine Verlaufskontrolle ist beim sekundären Raynaud-Phänomen sinnvoll. «Bei Patienten mit einer Frühform einer systemischen Sklerose sind sogar jährliche Kontrollen angezeigt», betonte Dr. Mihai. Bei der primären Form erfolgt ein Follow-up nur bei einem erhöhten Leidensdruck.